Kritische Analyse der neuen Ernährungspyramide der DGE im Bezug auf Mikronährstoffe

Ernährungspyramide und Mikronährstoffe

Die Ernährungsempfehlungen der DGE (Deutsche Gesellschaft für Ernährung) sind seit Jahrzehnten prägend für die Ernährungsbildung in Deutschland. Doch wie zeitgemäß und wissenschaftlich fundiert sind die jüngsten Anpassungen der Ernährungspyramide und Mikronährstoffen wirklich? Im Interview im Wissenschaftsgremium bei QS24 nimmt unser wissenschaftlicher Leiter Prof. Dr. Elmar Wienecke,, eine fundierte und kritische Bewertung der aktuellen Richtlinien vor. Im Folgenden finden Sie die wichtigsten Erkenntnisse und vertiefenden Analysen aus diesem Gespräch.

Ernährungspyramide der DGE 2024: Kaum Fortschritte trotz Überarbeitung

Die DGE hat 2024 ihre Ernährungsempfehlungen überarbeitet und als Fortschritt präsentiert. Prof. Wienecke sieht diese Änderungen jedoch äußerst kritisch. Zwar sei die Bereitschaft zur Veränderung grundsätzlich positiv zu bewerten, inhaltlich habe sich jedoch wenig Substanzielles getan. Die methodische Kritik bleibt bestehen:

Die Empfehlungen sind weiterhin nicht evidenzbasiert und berücksichtigen vor allem gesunde Menschen – eine Zielgruppe, die in der Realität immer kleiner wird, denn über drei Viertel der Bevölkerung in Deutschland und der Schweiz sind laut Wienecke bereits vorerkrankt oder weisen gesundheitliche Einschränkungen auf.

Problematische Nährstoffverteilung: Zu viel Kohlenhydrate, zu wenig Protein

Ein zentrales Problem der aktuellen DGE-Empfehlungen ist die weiterhin hohe Priorisierung von Kohlenhydraten bei gleichzeitig zu geringer Proteinzufuhr. Gerade für ältere Menschen, deren Proteinbedarf nachweislich steigt, reichen die empfohlenen Mengen von 0,9 bis 1,3 Gramm pro Kilogramm Körpergewicht nicht aus. Studien, auch aus dem eigenen Umfeld von Prof. Wienecke, belegen, dass höhere Mengen notwendig wären, um Muskelabbau und funktionelle Einschränkungen im Alter vorzubeugen.

Auch die Empfehlungen zu essentiellen Fetten und dem Konsum von Eiern und Fleisch bleiben wissenschaftlich fragwürdig. Die Begrenzung des Eierkonsums auf ein bis zwei Eier pro Woche entbehrt laut Wienecke aktueller wissenschaftlicher Grundlage und ignoriert neuere Erkenntnisse zum Cholesterinstoffwechsel.

Fehlende Individualisierung und mangelhafte Studienlage

Ein weiterer zentraler Kritikpunkt ist die fehlende Individualisierung der Empfehlungen. Die DGE orientiert sich am „gesunden Durchschnittsmenschen“, doch die Realität sieht anders aus: Unterschiedliche Altersgruppen, Vorerkrankungen, Alltagsbelastungen und daraus resultierende individuelle Nährstoffbedarfe werden nicht berücksichtigt. Besonders bei älteren Menschen ist der Mikronährstoffbedarf deutlich erhöht, doch spezifische Studien zu dieser Zielgruppe fehlen weitgehend.

Prof. Wienecke verweist auf die Notwendigkeit, Empfehlungen auf Basis zellulärer Messungen und individueller Analysen zu treffen, statt sich ausschließlich auf Serumwerte, die starken Alltagsschwaschwankungen unterliegen und allgemeine Durchschnittswerte zu verlassen. Die bisherige Praxis führt dazu, dass Mängel oft erst erkannt werden, wenn bereits funktionelle Störungen oder Krankheiten entstanden sind.

Mikronährstoffmangel: Ein unterschätztes Gesundheitsrisiko

Die Bedeutung einer ausreichenden Mikronährstoffversorgung wird in den offiziellen Empfehlungen massiv unterschätzt. Prof. Wienecke verweist auf Studien, die zeigen, dass nur 40 bis 50 Prozent der Bevölkerung den theoretisch empfohlenen Bedarf tatsächlich erreichen. Besonders in Seniorenheimen ist die Versorgungslage oft desolat, wie eine von ihm begleitete Studie eindrucksvoll belegte: Eine gezielte, individualisierte Mikronährstofftherapie führte dort zu signifikanten Verbesserungen bei Blutdruck, Muskelmasse, Schilddrüsenfunktion und kognitiven Fähigkeiten.

Einfluss von Umwelt und Lebensstil: Lebensmittelqualität im Wandel

Ein bislang wenig beachteter Aspekt ist der Einfluss von Umweltfaktoren wie dem Klimawandel und der Intensivlandwirtschaft auf die Nährstoffdichte unserer Lebensmittel. Experimente zeigen, dass der Eiweißgehalt von Getreidekörnern in den letzten Jahrzehnten um bis zu 15 Prozent gesunken ist. Auch Spurenelemente wie Zink und Selen sind heute in geringeren Mengen enthalten als früher. D

ie Folge: Selbst eine „ausgewogene“ Ernährung nach DGE-Standard kann den Bedarf an essenziellen Nährstoffen nicht mehr zuverlässig decken.

Ganzheitliches Gesundheitsverständnis und Prävention

Gesundheit ist laut WHO nicht nur das Fehlen von Krankheit, sondern ein Zustand vollständigen körperlichen, geistigen und sozialen Wohlbefindens. Prof. Wienecke betont, dass Prävention und individuelle Versorgung im Mittelpunkt stehen müssen. Ein ganzheitlicher Ansatz, der Ernährung, Bewegung, soziale Faktoren und gezielte Mikronährstoffsupplementierung verbindet, ist für die Erhaltung von Gesundheit und Lebensqualität unerlässlich.

Individualisierte Mikronährstofftherapie: Neue Wege in der Prävention

Besonders innovativ ist die von Prof. Wienecke und seinem Team entwickelte evidenzbasierte Mikronährstoffdatenbank, die auf über 61.000 Messungen an Patienten basiert und diese Mesungen nach über 200 Kriterien kategorisiert. Sie ermöglicht es, biochemische Störungen frühzeitig zu erkennen und gezielt zu beheben, bevor Krankheiten entstehen. Studien zeigen, dass selbst ohne grundlegende Ernährungsumstellung die gezielte Gabe fehlender Mikronährstoffe deutliche Verbesserungen in Leistungsfähigkeit und Wohlbefinden erzielen kann – auch im stressigen Alltag von Führungskräften oder bei älteren Menschen in Pflegeeinrichtungen.

Fazit und Ausblick: Ernährungspyramide und Mikronährstoffe im Zusammenhang müssen neu gedacht werden

Die Analyse von Prof. Dr. Elmar Wienecke macht deutlich: Die aktuellen Ernährungsempfehlungen der DGE sind nicht ausreichend, um die Gesundheit der Bevölkerung zu fördern und präventiv zu schützen. Es bedarf einer grundlegenden Neuausrichtung hin zu individualisierten, wissenschaftlich fundierten und ganzheitlichen Empfehlungen, die den tatsächlichen Bedarf verschiedener Bevölkerungsgruppen berücksichtigen.

Wesentliche Forderungen an die Ernährungspyramiden der Ernährungsgesellschaften:

  • Evidenzbasierte, zielgruppenspezifische Ernährungsempfehlungen
  • Berücksichtigung individueller Nährstoffbedarfe, insbesondere bei älteren und vorerkrankten Menschen
  • Einsatz zellulärer Diagnostik statt alleiniger Orientierung am Serumwert
  • Integration von Mikronährstofftherapie in Prävention und Therapie
  • Berücksichtigung der veränderten Nährstoffdichte moderner Lebensmittel
  • Ganzheitlicher Ansatz: Ernährung, Bewegung, soziale und psychische Gesundheit

Sehen Sie hier die vollständige Diskussion über die Ernährungspyramide und Mikronährstoffe

Die hier zusammengefassten Punkte bieten nur einen Überblick auf die Tiefe und Vielschichtigkeit der Diskussion. Für weiterführende Informationen, spannende Details und konkrete Beispiele wir Ihnen, sich das vollständige Video-Interview auf QS24 anzusehen. Gewinnen Sie noch mehr wertvolle Einblicke in die Zukunft der Ernährungsmedizin und erfahren Sie, wie Sie Ihre Gesundheit gezielt und individuell stärken können:

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