Dr. Helge Knüppel, Zahnarzt und Fachzahnarzt für Oralchirurgie mit Schwerpunkt biologische Zahnheilkunde, teilt im vierten Teil der Interviewserie bei QS24 seine Erkenntnisse über den Zusammenhang zwischen Zahngesundheit, allgemeinem Wohlbefinden, chronischen Krankheiten und der Selbstwirksamkeit der meisten Patienten.
Der moderne Ansatz der biologischen Zahnmedizin
Die moderne Zahnmedizin geht weit über das klassische Verständnis von Füllungen und Kronen hinaus. Dr. Knüppel betont, dass immer mehr Menschen mit chronischen Erkrankungen seine Praxis aufsuchen, nachdem sie bereits verschiedene medizinische Disziplinen ohne Erfolg konsultiert haben. Dabei wird deutlich, dass Zahngesundheit ein Spiegel des gesamten Organismus ist – wenn es den Zähnen gut geht, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass auch der Rest des Körpers gesund ist.
Evolutionäre Perspektive und moderne Herausforderungen
Besonders interessant sind Dr. Knüppels Erkenntnisse aus der Untersuchung prähistorischer Schädel. Diese zeigen, dass unsere Vorfahren trotz stärkerer Zahnabnutzung weniger Zahnprobleme hatten. So war das Gebiss prähistorischer Menschen deutlich besser ausgeformt als bei heutigen Menschen. Bemerkenswert ist dabei, dass die damaligen Menschen keine kieferorthopädischen Korrekturen benötigten – im Gegensatz zu heute, wo nahezu jedes Kind eine Zahnspange braucht.
Ein charakteristisches Merkmal der prähistorischen Zähne war ihre stärkere Abnutzung. Diese verstärkte Abnutzung lässt sich auf mehrere Faktoren zurückführen:
Die Nahrung enthielt mehr Ballaststoffe
Durch die naturbelassene Nahrung waren häufig kleine Steinpartikel enthalten und die Kost war insgesamt deutlich härter und weniger verarbeitet als die heutige Nahrung.
Historischer Wendepunkt: Die Sesshaftwerdung
Dr. Knüppel identifiziert die Zeit vor 10.000 bis 12.000 Jahren, als die Menschen im Gebiet um Anatolien und das Schwarze Meer sesshaft wurden, als entscheidenden Wendepunkt. Diese Veränderung der Lebensweise führte zu einer energiereicheren Ernährung, die zwar das Überleben von mehr Nachkommen ermöglichte, aber auch den Beginn verschiedener gesundheitlicher Probleme markierte.
Ernährung als Schlüssel zur Gesundheit
Ein zentraler Aspekt der Prävention ist die Ernährung. Dr. Knüppel plädiert für „Clean Eating“ oder „Natural Eating“ – eine Ernährungsweise, die sich an natürlichen, unverarbeiteten Lebensmitteln orientiert. Dabei warnt er vor versteckten Zuckern in verarbeiteten Lebensmitteln und betont die Bedeutung komplexer Kohlenhydrate sowie hochwertiger Fette und Proteine.
Mikronährstoffe und moderne Ernährungsrealität
Doch selbst bei einer vermeintlich optimalen Ernährung ist es heute kaum noch möglich, ausreichend Mikronährstoffe über die normale Nahrung aufzunehmen. Der Nährstoffgehalt in Lebensmitteln hat sich in den letzten Jahrzehnten deutlich reduziert. Um die gleiche Menge an Mikronährstoffen wie vor 20 Jahren aufzunehmen, müsste man heute unverhältnismäßig große Mengen an Nahrung zu sich nehmen.
Dr. Knüppel betont, dass eine Supplementierung für viele Menschen heute praktisch unumgänglich ist. Dabei unterscheidet er zwei Ansätze:
Eine personalisierte, gezielte Supplementierung (die allerdings kostenintensiv und aufwendig ist)
Eine Basis-Supplementierung mit grundlegenden Mikronährstoffen
Wichtige Aspekte bei der Mikronährstoff Supplementierung aus zahnmedizinischer Sicht
Bei der Auswahl von Nahrungsergänzungsmitteln empfiehlt Dr. Knüppel nicht willkürlich Supplemente einzunehmen, sondern dies immer begleitet zu tun und auf die Qualität und Reinheit der Produkte zu achten.
Die Mikronährstoffversorgung sollte immer im Kontext des gesamten Gesundheitszustands betrachtet werden. Dr. Knüppel weist darauf hin, dass beispielsweise eine Darmsanierung notwendig sein kann, da man sonst nur ein „Durchlauferhitzer“ für die Supplemente ist und die wertvollen Mikronährstoffe im Darm nicht aufgenommen werden können.
Ganzheitlicher Lebensstil für optimale Gesundheit
Dr. Knüppel betont die Bedeutung eines ganzheitlichen Ansatzes. Dazu gehören Faktoren wie Schlafhygiene, moderate sportliche Aktivität und die Reduzierung von Umweltbelastungen. Besonders wichtig ist qualitativ hochwertiger Schlaf, da nur in der Tiefschlafphase wichtige Wachstumshormone ausgeschüttet werden, die für die Regeneration essentiell sind.
Selbstverantwortung und Epigenetik
Ein besonders ermutigendes Element seiner Botschaft ist die Bedeutung der Selbstverantwortung. Durch unseren Lebensstil können wir aktiv beeinflussen, welche Gene aktiviert werden. Diese epigenetische Perspektive gibt uns die Macht, unsere Gesundheit selbst in die Hand zu nehmen
Dr. Knüppel betont in seinem Interview einen wichtigen Aspekt der modernen Gesundheitsforschung: Wir sind nicht Gefangene unserer Gene, sondern bleiben selbst „Kapitän“ unserer Gesundheit.
Besonders kritisch sieht Dr. Knüppel den Umgang mit genetischen Untersuchungen. Er warnt davor, wenn Patienten gesagt wird, sie hätten aufgrund ihrer Gene eine bestimmte Wahrscheinlichkeit, an dieser oder jener Krankheit zu erkranken. Solche Aussagen können kontraproduktiv sein, da sie Angst erzeugen und Menschen in eine Opferrolle drängen.
Der Lebensstil als Schlüssel zur großen gesundheitsspanne
Stattdessen betont er, dass wir durch unseren Lebenswandel, unseren „Lifestyle“, aktiv beeinflussen können, welche Gene abgelesen werden und welche nicht. Dies ist der Kernaspekt der Epigenetik – die Wissenschaft davon, wie Umwelteinflüsse und Lebensstil die Aktivität unserer Gene beeinflussen können.
Dr. Knüppel sieht in diesem Wissen eine ermächtigende Botschaft: Wir haben es selbst in der Hand, sind nicht hilflos unseren Genen ausgeliefert. Diese Selbstverantwortung bedeutet, dass wir durch bewusste Entscheidungen in Bereichen wie Ernährung, Bewegung und Stressmanagement aktiv Einfluss auf unsere Gesundheit nehmen und eine möglichst lange Gesundheitsspanne erreichen können.
Ausblick und Vertiefung
Möchten Sie mehr über die faszinierenden Zusammenhänge zwischen Zahngesundheit und Gesamtwohlbefinden erfahren? Das vollständige Interview mit Dr. Helge Knüppel bietet noch viele weitere wertvolle Einblicke und praktische Tipps. Sie finden das gesamte Gespräch unter: